Popularklage der Islamischen Religionsgemeinschaft über die Feststellung der Verfassungswidrigkeit des Artikel 11 des Bayrischen Richter- und Staatsanwaltsgesetzes

Bundesverwaltungsgericht in Leipzig

 

 Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts

Nr. 35/2012   BVerwG 1 C 10.11   19.04.2012

 

Assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht für türkische Arbeitnehmer bei geringfügiger Beschäftigung


Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute im Anschluss an die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) entschieden, dass auch ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis mit einer geringen Wochenarbeitszeit türkischen Staatsangehörigen ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht vermitteln kann.


Der Entscheidung liegt der Fall einer inzwischen 45jährigen türkischen Staatsangehörigen zugrunde, die Mitte 2000 im Wege des Familiennachzugs nach Deutschland kam. Ihr wurde wegen ihrer Ehe mit einem türkischen Staatsangehörigen eine befristete Aufenthaltserlaubnis erteilt. Nach Trennung von ihrem Ehemann nahm die Klägerin im Juni 2004 eine geringfügige Beschäftigung als Raumpflegerin im Umfang von 5 ½ Wochenstunden auf. Ihren Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis lehnte die Ausländerbehörde im Februar 2008 wegen des Bezugs ergänzender Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ab. Während des gerichtlichen Verfahrens erweiterte die Klägerin das Beschäftigungsverhältnis im Mai 2008 auf 10 Wochenstunden. Seitdem erhält sie auch keine Sozialleistungen mehr. Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten nach Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH (Urteil vom 4. Februar 2010 - Rs. C-14/09) zur Auslegung des Art. 6 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG-Türkei über die Entwicklung der Assoziation - ARB Nr. 1/80 - verpflichtet, der Klägerin eine Aufenthaltserlaubnis auszustellen, weil sie nach dieser Bestimmung ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht erworben habe. Das Oberverwaltungsgericht hat diese Entscheidung bestätigt.


Der 1. Revisionssenat des Bundesverwaltungsgerichts hat die Revision des Beklagten zurückgewiesen. Zur Begründung hat er ausgeführt: Der Klägerin steht aufgrund ihrer langjährigen geringfügigen Beschäftigung als Arbeitnehmerin ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht nach Art. 6 Abs. 1, 3. Spiegelstrich ARB Nr. 1/80 zu. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist die Klägerin trotz der Wochenarbeitszeit von zunächst 5 ½ Stunden und des vorübergehenden ergänzenden Bezugs öffentlicher Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts als Arbeitnehmerin im Sinne dieser Bestimmung anzusehen. Der Arbeitnehmerbegriff ist nach der Rechtsprechung des EuGH unionsrechtlich auszulegen. Arbeitnehmer ist jeder, der eine tatsächliche und echte Tätigkeit während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisungen ausübt und hierfür eine Vergütung erhält. Dabei bleiben Tätigkeiten außer Betracht, die einen so geringen Umfang haben, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellen. Die hierfür erforderliche Gesamtbewertung fiel zu Gunsten der Klägerin aus. Dabei war neben der vereinbarten Wochenarbeitszeit von zunächst 5 ½, später 10 Stunden auch zu berücksichtigen, dass die Klägerin die Beschäftigung im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht bei demselben Reinigungsunternehmen seit fast sieben Jahren ausübte und nach den Feststellungen des Berufungsgerichts von Anfang an Anspruch auf den Tariflohn und weitere tarifvertragliche Vergünstigungen hatte.


BVerwG 1 C 10.11 - Urteil vom 19. April 2012

 



Bundestag-Ansichten

Petition zur Einbeziehung von Strafgefangenen in die Rentenversicherung

 

Prof. h.c. Dr. Abdurrahim Vural fordert den Deutschen Bundestag mit einer Petition dazu auf, die Gefangenen endlich in das Rentenversicherungssystem einzubeziehen.

 

Dies war vom Gesetzgeber im Strafvollzugsgesetz von 1976/77 vorgegeben, ist aber nie realisiert worden. Das besondere Bundesgesetz, mit dem der Einbezug von Gefangenen in die sozialen Versicherungssysteme gewährleistet werden sollte, ist bis heute nicht erlassen worden. In den Paragraphen 190-193 des Strafvollzugsgesetzes war im Einzelnen geregelt, welche Sozialversicherungsgesetze wie geändert werden müssen, um die Gefangenen in die Sozialsysteme einzubeziehen.

 

Trotz der Föderalismusreform, durch die die Strafvollzugsgesetzgebung Ländersache geworden ist, ist der Bundesgesetzgeber nach wie vor dafür zuständig, die Gruppen zu bestimmen, die von den sozialen Versicherungssystemen umfasst werden.

 

Prof. Vural sieht im Ausschluss der Gefangenen aus der Rentenversicherung sowohl die Würde der arbeitenden Gefangenen und deren Resozialisierungschancen angetastet als auch das Gleichheits- und Sozialstaatsprinzip verletzt. Der Gesetzgeber habe sich im Strafvollzugsgesetz 1976/77 mit der gesetzlichen Festlegung der Einbeziehung Gefangener in die Rentenversicherung einer Selbstbindung unterworfen. Es sei höchste Zeit, die gegebene Zusage einzulösen.

 

Die Petition wird von verschiedenen Organisationen unterstützt – auch die Islamische Religionsgemeinschaft, Bundeskörperschaft des öffentlichen Rechts, sowie die Islamische Föderation in Berlin, der Islamrat und der Zentralrat der Muslime zählen zu den erstunterstützenden Organisationen und diese fordern alle ihre Mitglieder auf Unterschriften zu sammeln und einzusenden.

 

Bittet auch Familienangehörige und Bekannten, die Petition zu unterstützen!

 

Votiert dafür, dass die Bundesregierung endlich Wort hält – Strafgefangene müssen (zumindest) in die Rentenversicherung einbezogen werden.

 

Dies ist ein Gebot sozialer Rechtspolitik und ist der Verfassung sowie nicht zuletzt den Grund- und Menschenrechten der Strafgefangenen geschuldet.

 

  • Die Einbeziehung in die Rentenversicherung ergibt sich aus dem Wiedereingliederungsauftrag des Strafvollzuges, denn eine eigenverantwortliche Lebensführung nach der Entlassung bedarf sozialer Absicherung.

 

  • Die Würde des arbeitenden Gefangenen wird angetastet, wenn seine Arbeitszeiten keine (sozialversicherungsrechtliche) Anerkennung finden.

 

  • Das Gleichheits- und Sozialstaatsprinzip des Grundgesetzes werden verletzt, wenn die Arbeit im
  • Strafvollzug nicht mit üblicher Arbeit gleichgesetzt wird.

 

 

Unterstützt die Petition!

 

Berlin, 09.09.2011

 

 

Deutscher Bundestag

 

 

 

Beantwortung einer Petitonsbeschwerde wegen der

Nichtübersetzung von Urteilen in Strafverfahren 

 

 

Die Grundrechte – eine Erfolgsgeschichte

Mit dem Grundgesetz ist den Deutschen der dritte Startversuch in die Demokratie geglückt. Unter seiner Geltung hat sich die Bundesrepublik Deutschland zu einem stabilen demokratischen Gemeinwesen entwickelt. Diesen Erfolg haben die Mitglieder des Parlamentarischen Rates in den Jahren 1948/49 in ihren kühnsten Hoffnungen nicht vorausgesehen. Im Gegenteil: Man vermied bewusst die Bezeichnung „Verfassung“. Angesichts der fehlenden Souveränität Deutschlands und der Tatsache, dass die zu gründende Bundesrepublik nur dessen westlichen Teil umfassen konnte, regten sich zunächst starke Widerstände gegen die Absichten der Alliierten, aus ihren Besatzungszonen einen Separatstaat zu bilden. Diese Vorbehalte beherrschten auch den aus den Vertretern der Landtage gebildeten Parlamentarischen Rat. Immer wieder wurde betont, dass man nicht die Verfassung Deutschlands oder Westdeutschlands zu erarbeiten habe, sondern ausschließlich das Grundgesetz für ein Staatsfragment. In rund neun Monaten entwarfen die Mitglieder des Parlamentarischen Rates das Grundgesetz, das als eine Übergangsverfassung das staatliche Leben in den drei westlichen Besatzungszonen vorläufig ordnen sollte. Doch das Grundgesetz überdauerte sogar das Ende der deutschen Teilung und wurde schließlich am 3. Oktober 2000 zur gesamtdeutschen Verfassung.

Trotz der intendierten Vorläufigkeit stellt das Grundgesetz eine systematisch geschlossene Verfassung dar, in der die Staatsordnung umfassend geregelt und mit den Grundrechten zu einer Einheit zusammengefasst worden ist. Unter dem Eindruck des bitteren Anschauungsunterrichts in Unmenschlichkeit haben die Mitglieder des Parlamentarischen Rates die Verfassung mit einem Katalog der Grundrechte eröffnet. Das Bekenntnis zur Unantastbarkeit der Menschenwürde und zur freien Entfaltung der Persönlichkeit war und ist eine Antwort auf die Entartung des Rechts im Nationalsozialismus und die im Schatten dieses Unrechtssystems arbeitende Maschinerie der Menschenvernichtung. Die Erfahrungen der vorausgegangenen Schreckensherrschaft haben die Schöpfer der Verfassung nicht nur veranlasst, die Grundrechte als einklagbare subjektive Rechte zu formulieren. Sie haben ausdrücklich die Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung unmittelbar an diese Grundrechte gebunden (Art. I Abs. § GG). Jeder Mann und jede Frau sollte sich auf diese berufen und ihren Respekt durch staatliche Organe erzwingen können. Wir sprechen in diesem Zusammenhang vom Vorrang der Verfassung. Diese Regelung gilt als die „eigentliche Großtat“ des Parlamentarischen Rates.

Sich mit Entschiedenheit zum Prinzip des Vorrangs der Verfassung zu bekennen, mag eine weise Entscheidung sein, das eigentliche Problem besteht jedoch darin, diesem Prinzip in der Wirklichkeit Respekt zu verschaffen. Ein in der Verfassung verbriefter Katalog der Grundrechte reicht für sich allein nicht aus, um einen die Menschenrechte achtenden Rechtsstaat zu errichten, auch wenn kraft des Grundgesetzes alle Staatsorgane die Grundrechte zu respektieren und durchzusetzen haben. Das Scheitern der Weimarer Republik und die darauf folgende Diktatur haben gelehrt, dass eine Demokratie ohne gerichtlich durchsetzbare Menschenrechte nicht bewahrt werden kann. Zwar kannte schon die Weimarer Reichsverfassung Bürgerrechte. Ihr umfangreicher Katalog der „Grundrechte und Grundpflichten der Deutschen“ war seinerzeit einzigartig. Doch wurden diese weiterhin nur als Programmsätze verstanden, die gesetzgeberischer Initiativen harrten. In bewusster Abkehr von solchen schlichten Direktiven schufen die Mütter und Väter des Grundgesetzes unmittelbar geltende Grundrechte, die der Bürger notfalls im Klagewege verfolgen kann.

Seine „praktische Pointe“ erhält das Prinzip vom Vorrang der Verfassung erst mit der Einführung der Verfassungsgerichtsbarkeit, also einer Instanz, die Gesetze, Richtersprüche oder Maßnahmen der Reinigung aufheben kann, wenn diese mit den Grundrechten unvereinbar sind. Das von den Müttern und Vätern des Grundgesetzes geschaffene Bundesverfassungsgericht ist von Alfred Grosser als die ohne Zweifel originellste und interessanteste Institution des deutschen Verfassungssystems bezeichnet worden. Dieses Gericht sollte nicht nur kontrollieren, ob die Gesetze im Einklang mit der Verfassung stehen und Kompetenzstreitigkeiten zwischen staatlichen Organen schlichten. Es sollte voran die Aufgabe haben, einem jeden Einwohner Deutschlands den nötigen Schutz gegen die Eingriffe in die ihm verfassungsmäßig zugesicherten Grundrechte zu währen.

Mit der Verfassungsbeschwerde kann jeder Mann und jede Frau bei dem Bundesverfassungsgericht Schutz suchen, vorausgesetzt, sie glauben ihre Grundrechte durch Akte staatlicher Gewalt verletzt. Die Verfassungsbeschwerde hat den Bürger und die Bürgerin zu Wächtern des Grundgesetzes bestellt. Ihrer Aufmerksamkeit, ihrem Rechtssinn und nicht zuletzt ihrem Widerspruchsgeist ist es zu danken, dass das Bundesverfassungsgericht als Hüter individueller Grundrechte tätig werden kann.

Angerufen von Abertausenden von Bürgern und Bürgerinnen hat das Bundesverfassungsgericht obrigkeitsstaatliche Tradition aufgebrochen und dem Prinzip des freiheitlich-demokratischen Rechtsstaats Konturen verschafft. Die Rechtsprechung zu den Grundrechten hat nicht nur bewirkt, dass das Grundgesetz konkrete Gestalt gewonnen und in unserem politischen Gemeinwesen Wurzeln geschlagen hat. Sie hat darüber hinaus das Bewusstsein der Bevölkerung dafür geschaffen, dass sie staatlichen Maßnahmen nicht wehrlos ausgesetzt ist. Die Entscheidungen haben nicht zuletzt auch den Sinn der öffentlichen Akteure dafür geschärft, dass der Katalog der Grundrechte unmittelbar geltendes Recht darstellt.

Insbesondere die Rechtsprechung des Gerichts zur Meinungs- und Pressefreiheit hat die Offenheit des politischen Prozesses in Deutschland gefördert. Am Anfang gewissermaßen stand das Lüth-Urteil, laut dem das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung für eine freiheitlich-demokratische Staatsordnung schlechthin konstituierend ist, „denn es ermöglicht erst die ständige geistige Auseinandersetzung, den Kampf der Meinungen, der ihr Lebenselement ist“.  Auch hat das Gericht mit vielen Entscheidungen den Sinn für die Pressefreiheit geschärft. Ein Blick auf die werdenden Demokratien in Osteuropa und anderswo macht deutlich, dass sich nur dort die Verfassungsgerichte gegenüber der Politik und den alten Kadern behaupten können, in denen eine freie Presse, d. h. unerschrockene Journalisten und Journalistinnen, am Werke sind.

Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu den Kommunikationsgrundrechten haben nicht nur den Sinn für die Bedeutung der Meinungs- und Pressefreiheit in einer Demokratie geschärft. Diese Rechtsprechung hat zugleich einen wichtigen Beitrag für das Instrumentarium, die Maßstäbe und Methoden des Grundrechtsschutzes geleistet. So werden die Grundrechte von dem Bundesverfassungsgericht nicht nur als Abwehrrechte des Einzelnen gegen den Staat begriffen. Vielmehr beeinflussen sie auch das Verhältnis der Bürger untereinander. Das Kompliment, das Gericht habe den Grundrechten Ausstrahlungskraft verliehen, ist wörtlich zu nehmen, denn nach seiner Ansicht strahlen die Grundrechte in alle Rechtsgebiete aus, so dass alle Vorschriften im Geiste dieses objektiven Wertesystems ausgelegt und angewandt werden müssen. Diese Auslegung hat sich als außerordentlich zukunftsträchtig erwiesen, denn sie hat auch das Privatrecht unter den Einfluss der Grundrechte gestellt. Die Auswirkung hat vor allem in Fällen eine Rolle gespielt, in denen Freiheitsrechte mit sozialstaatlichen Zielen, etwa mit den Rechten der Verbraucher, kollidierten. Wiederholt hat das Bundesverfassungsgericht sich bemüht, das Spannungsverhältnis zwischen der Vertragsfreiheit auf der einen und dem Schutz des sozial Schwächeren auf der anderen Seite auszutarieren.

Diese Entscheidungen haben nicht nur Beifall ausgelöst. Denn strahlen die Grundrechte in alle Bereiche des Rechts aus, so führt das zu einer Allgegenwart der Grundrechte im einfachen Recht. Die Grenze zwischen der Auslegung des einfachen Gesetzesrechts und der Auslegung der Grundrechte wird allzu leicht verwischt. Das führt zu Grenzkonflikten zwischen dem Tätigkeitsbereich des Bundesverfassungsgerichts und dem der übrigen Staatsorgane, seien es die anderen Gerichte oder das Parlament. Gewiss ist es nicht zu leugnen, dass das Bundesverfassungsgericht das Grundgesetz auch fortentwickelt hat. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist das probate Beispiel. Das Gericht hat sich des Öfteren den Vorwurf des politischen Aktivismus gefallen lassen müssen. Wobei nicht verkannt werden sollte, dass die Entscheidungen des Gerichts gern „als Ausdruck des wahren Rechts gefeiert oder als Unrecht gebrandmarkt werden, je nachdem, ob die Entscheidungen in das Konzept der eigenen Politik“ passen oder (Ernst Friesenhahn). Dessen ungeachtet muss das Bundesverfassungsgericht stets auch in eigener Sache darauf bedacht sein, dass das gewaltengeteilte Zusammenspiel der Verfassungsorgane in der Bundesrepublik Deutschland funktioniert, und seinen Aufgabenbereich stets sorgfältig abstecken.

Resümierend ist festzustellen, dass der Schutz der Grundrechte in der Bundesrepublik Deutschland eine Erfolgsgeschichte ist. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat mit dazu beigetragen, dass den Deutschen der Übergang von einer Untertanen- zur Staatsbürgerkultur geglückt ist. Hier ist vorzugsweise an die Entscheidungen zu denken, die mehr Liberalität im Umgang mit Menschen anmahnen, die anders denken, glauben und sich verhalten. Einige Entscheidungen – vor allem zum Schutz von Minderheiten – haben heftige Kontroversen entfacht. Geradezu einen heiligen Aufruhr haben die Beschlüsse zum Kruzifix im Klassenzimmer und zum Tucholsky-Zitat „Soldaten sind Mörder“ ausgelöst. Manch einer sah schon den Untergang des Abendlandes heraufkommen. Bei dieser teilweise maßlosen Kritik geriet eine Erfahrung fast in Vergessenheit, nämlich, dass die Weimarer Republik nicht an einem radikalen Gebrauch der Freiheitsrechte oder an allzu großer Toleranz gegenüber Minderheiten zu Grunde gegangen ist. Die erste Demokratie auf deutschem Boden ist vielmehr an eingewurzelten obrigkeitsstaatlichen Traditionen gescheitert. Die hier nur in Stichworten skizzierte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist auch eine Frucht dieser Einsicht.