„Only Bad News Are Good News“ – Die Presse lebt von schlechten Nachrichten
Viele Menschen lesen eine Tageszeitung, fast alle schauen Fernsehen oder hören Radio. Auch die Internetnutzung hat stark zugenommen. Der Anteil der Personen, die privat täglich oder fast jeden Tag das Internet nutzen, stieg von 2003 bis 2010 um 26 Prozentpunkte. Damit erreichen Nachrichten, die über diese Medienkanäle verbreitet werden, täglich eine Vielzahl von Menschen. Jedes Medium folgt dabei seiner eigenen Logik. Die Printnachrichten müssen mit packenden Überschriften und interessanten Geschichten auf dem umkämpften Markt um die Aufmerksamkeit der Leser konkurrieren, TV-Sender brauchen oft spektakuläre Bilder, schnelle Schnitte und aufsehenerregende Visualisierungseffekte. Eines ist allen Medien gemeinsam: Die Tendenz zur Skandalisierung, Übertreibung und Zuspitzung. Diese Tendenz trifft für einige Medien mehr zu, als für andere.
Zwar gibt es auch Medien, die kritisch mit Informationen umgehen, jedoch sind dies eher unpopuläre, denen oft auch nicht so große finanzielle Möglichkeiten zur Verfügung stehen. Deswegen erreichen sie weniger Menschen. Der interessierte und aufgeklärte Leser ist so immer mehr gefordert, Berichte selbst kritisch zu hinterfragen. Nicht jeder hat immer Zeit und Lust selbst zu recherchieren und viele Konsumenten sind von dem Überangebot, das sich penetrant aufdrängt, überfordert. Die Wahrnehmung zwingt daher einen jeden zu selektieren. Dabei fallen eben oft seriöse Medienberichte, die sich nicht in den Vordergrund drängen, hinten herunter. Einfach aufgearbeitete, spannende und vor allem packende Berichte, die die Zuschauer fesseln, sind vonnöten, um die Einschaltquoten im TV und die Auflage bei Druckmedien zu wahren. Leider wollen auch immer mehr Konsumenten leicht aufgearbeitete und verständliche Berichte, da sie im Allgemeinen schon viel zu viele Informationen aufnehmen müssen, um in unserer komplexen Gesellschaft zu bestehen. Dies hat zur Folge, dass umfassende Erklärungen verkürzt dargestellt werden und deswegen leicht eine verfälschte Aussage wiedergegeben werden kann.
Speziell der Umgang mit dem Internet verdient besondere Beachtung. Nahezu alle Informationen lassen sich in Sekundenschnelle mit den gängigen Suchmaschinen finden, doch nicht alle Informationen sind auch tatsächlich korrekt. Da prinzipiell jeder anonym im Internet sehr leicht etwas veröffentlichen kann, sind auch viele falsche Informationen, Spekulationen oder auch Vorwürfe dort zu finden. Das Problem daran ist, dass Behauptungen und Gerüchte – gerade anonym – sehr schnell ohne Beweise erhoben sind, jedoch nur sehr mühselig widerlegt werden können. Aber auch nicht-anonyme Behauptungen können diese Wirkung haben. Ist der Vorwurf erst einmal in der Welt, ist es nahezu unmöglich, diesen wieder vollständig zu entkräften.
Ein einfaches Beispiel zur Illustration: Eine stark frequentierte Website veröffentlicht falsche Informationen zu einer Einzelperson. Diese falschen Informationen finden ein enormes Echo durch die große Leserzahl der Website. Die Gegendarstellung der Einzelperson auf dessen eigener Website hingegen bleibt fast unbeachtet. Bei jeder Recherche stoßen nun neue Nutzer stets auf die alten Vorwürfe und finden nur seltener die Gegendarstellung. Selbst wenn also die Vorwürfe unberechtigt sind, so bleibt doch stets ein gewisser Makel am Ruf der unbescholtenen Person zurück.
Da mittlerweile 30% der Firmen im Vorfeld einer Einstellung neuer Mitarbeiter im Internet über diese recherchieren und ganze Geschäftsabschlüsse zwischen Unternehmen von Nachrichten aus dem Internet bestimmt werden, ist es umso wichtiger, dass die Medien eine ausgewogene und qualitativ gute Berichterstattung liefern und falsche Informationen selbst widerlegen.
Faszinierend, aber beängstigend zugleich, ist die Frage, warum aber viele Menschen, die über den Sachverhalt richtig aufgeklärt werden und sich ja auch ihres eigenen Verstandes bedienen können, lieber bei den Unwahrheiten bleiben? Weil die Unwahrheit eher dem gewünschten Bild und Vorurteil entspricht und weil die Wahrheit vielleicht nicht spektakulär genug ist?
Was nützt es, wenn, wie in meinem Falle, Gerichte in höheren Instanzen falsche Urteile aufheben, aber niemand darüber berichtet? Weder über die teilweise Aufhebung des Berliner Urteils und die mildere Strafe im Revisionsprozess vor dem Bundesgerichtshof, noch über den anschließenden kompletten Freispruch in der gleichen Angelegenheit durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg wurde in den Medien berichtet. Die unrechtmäßige Verurteilung ist noch immer unkommentiert im Internet zu finden, die vollständige Rehabilitation hingegen sucht man vergebens...
„Beißt der Hund einen Mann, spricht kein Mensch darüber. Wenn aber ein Mann den Hund beißt, berichten alle...“